Freitag, 6. Juli 2012

Rees Gwerder (Eigeler)

Rees Gwerder wurde am 30. Juli 1911 in Muotathal geboren und starb am 4. Januar 1998 in Arth. Es wurde über ihn bereits viel geschrieben, weshalb es sich erübrigt, hier das bereits gesagte zu wiederholen. Die Links am Ende dieses Blogs verweisen auf Beiträge zu seinem Leben und zu seiner Musik.

Abb. 1: Rees Gwerder Ende 1920er Jahre
(Quelle: Archiv von Cyrill Schläpfer)

Wie ich Rees kennen gelernt habe
Rees Gwerder (und Cyrill Schläpfer) verdanke ich es, dass ich mir einen Kindheitstraum erfüllen konnte. Bereits als kleiner Knopf war ich von Schweizer Volksmusik begeistert. Zu meinem regelmässigen kulturellen Pflichtprogramm gehörten die Volksmusiksendungen am Radio Beromünster/DRS, u.a. die Sendung "E Chratte voll Platte" am Sonntag-Nachmittag. Nach Angaben meiner Eltern war es ein Ding der Unmöglichkeit, mich vor Ende dieser Sendung für den Sonntags-Spaziergang zu bewegen. Meine Freude am Klang der Handharmonika war schon damals gross, und an einer Weihnacht Ende der 60er-Jahre erhielt ich von meinen badischen Grosseltern eine einreihige Hohner Handharmonika. Leider wusste ich mit dem Instrument nicht viel anzufangen. Im Verwandten- und Bekanntenkreis wurde das Musizieren nicht gepflegt und mein Interesse für das Instrument stiess auf wenig Verständnis. Bis auf ein paar Kinderlieder, konnte ich dem Instrument keine Melodien entlocken. So ganz ohne Unterstützung und Anregung verleidete mir die Sache, das Instrument verstummte und verschwand irgendwann auf dem Estrich. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte ich nicht einen Primarlehrer gehabt, der wunderschön die Geige spielte. Dieses Instrument stiess auf wesentlich mehr Anerkennung und Förderung bei meinen Eltern, die zwar von bäuerlich-handwerklicher Herkunft waren, jedoch bürgerliche Ambitionen hegten. Schnell war eine Lehrerin und später ein Platz in der Musikakademie gefunden und ich erlernte das Geigenspiel mit viel Fleiss und leidlichem Talent. Ganz glücklich wurde ich allerdings nie damit und trotz einiger Erfolge gab ich die Violine nach meiner Rekrutenschule auf. 

Es war im Jahr 1993, als ich in einer Sonntags-Matinee im Kino Camera in Basel den Film Ur-Musig von Cyrill Schläpfer das erste Mal sah. Beim Hören der Musik stand mir der Atem still, die Augen wurden feucht und auf einen Schlag mir völlig klar, solch eine Musik wie sie der Rees macht, will ich auch machen. Voller Tatendrang griff ich am nächsten Tag zum Telefon, um Rees Gwerder anzurufen.

Erster Versuch:

Telefonnummer am Wählrad (!) einstellen, piep piep piep ... Gegenseite nimmt den Hörer ab
"..." (Stille)
"Jä hallo, do isch dr Lukas Stammler us Basel"
"............." (Stille, Geräusche im Hintergrund)
"Hallo, isch öpper am Apparat"
"............"  (Stille)
"Jä, hallo ..."
"............" (Stille), Telefon wird aufgehängt.

Etwas verwirrt starte ich den zweiten Versuch:

Telefonnummer einstellen, piep piep piep ... Gegenseite nimmt den Hörer ab
"....." (Stille)
"Jä hallo, do isch dr Lukas Stammler us Basel"
" Hä....." (raue Stimme)
"Joo, do isch dr Lukas Stammler us Basel"
"Ähää......" 
"Wär isch am Apparat?"
"........" (Stille), Telefon wird aufgehängt

Ich stelle fest, dass hier eine gewisse Hartnäckigkeit von Nöten ist und starte den dritten Versuch:

Telefonnummer einstellen, piep piep piep ... Gegenseite nimmt den Hörer ab
"....." (Stille)
"Jä hallo, do isch dr Lukas Stammler us Basel"
"Wär isch do?"
"Lukas Stammler us Basel"
"Vo wo bisch?"
"Vo Basel"
"Ähä, es chömmäd öppä settigi us Basel zu mir"
"Jä......, bisch du dr Rees"
"Was willsch?"
"I ha dä Film mit dir gseh, Ur-Musig und jetzt will i lehre örgele wie du duesch."
"Örgälä lehrä wottsch?"
"Jo."
"Was chasch?"
"Nüt channi, bi e bluetige Afänger."
"... Chumm wider wenn d öppis chasch." Telefon wird aufgehängt.


Nun, das war nicht sehr ermutigend. Wie es weiterging erspare ich dem geneigten Leser. Soviel sei verraten: Knapp ein Jahr später war ich das erste Mal bei Rees im Unterricht.

Abb. 2: Rees Gwerder zuhause auf dem Gängigerberg
(Quelle: Archiv Cyrill Schläpfer)


Links:
Rees Gwerder auf YouTube








Mittwoch, 4. Juli 2012

Adolf Schelbert (Rössli-Adolf) - Folge 2

Adolf Schelbert, Rössliwirt.
Quelle: Rico Peter: Volksmusik. AT Verlag 1979

Nachruf auf Adolf Schelbert, Wirt im Rest. Rössli, Muotathal, geboren am 23. September 1903, gestorben am 28. Juli 1981. Der Nachruf ist im Bote der Urschweiz Nr. 98 am Freitag, den 21. August erschienen und wird hier im original Wortlaut und in ungekürzter Fassung wiedergegeben.

+ Adolf Schelbert, "Rössli", Hinterhal
(Ml) Wer am 31. Juli die grosse Trauergemeinde sah, die Adolf Schelbert die letzte Ehre erwies, der wusste, hier wurde ein Mensch von grösster Wertschätzung zu Grabe getragen. Denn der "Rössli Adölful", wie ihn der Volksmund nannte, war ein Stück Muotathaler Geschichte. Er war wohl einer jener Männer, die mit ihrer Beharrlichkeit, mit ihrem Mut zum Risiko, mit dem unerschütterlichen Glauben an sich selber als Salz dieser Erde bezeichnet werden dürfen. Doch werfen wir einen Blick auf sein Leben zurück.
Adolf Schelbert wurde am 23. September 1903 als drittes von acht Kindern der Pauline geb. Hediger und des Alois Schelbert, Fuhrhalterei und Wirtschaft zum Rössli, in die Wiege gelegt. Er verlebte eine glückliche wenn auch karge Jugendzeit. Die Schule besuchte der aufgeweckte Knabe im Muotathal, die Fuhrhalterei des Vaters, die Pferde und alles was dazu gehört, waren seine Weiterbildung. Er war stolz darauf, dem Vater schon als Knabe beim Einspannen der Rosse helfen zu dürfen. Als sein Vater Ende der 20er Jahre einen Lastwagen kaufte, stellte er wohl eine Weiche im Herzen von Adolf. Es war die Liebe zum Auto, die Liebe zur Technik, ja vielleicht das Jawort zum Aufbruch in die motorisierte Welt. Er, der noch sechsspännig mit dem Postschlitten fuhr, wurde für eine kurze Zeit Chauffeur bei der Auto AG.
Am 26. Oktober reichte er in der Pfarrkirche zu Muotathal Fräulein Marie Schelbert vom Restaurant Bödeli die Hand zum Lebensbunde. er zog in das noch von seinem Vater erbaute Haus am Hüribach. In den 21 Jahren, die er dort wohnte, bevölkerten nach und nach zehn Kinder die geräumige Stube, von denen eines im zarten Kindesalter dem Schöpfer zurückgegeben werden musste. Adolf war seinen Kindern ein strenger aber gerechter Vater. Es galt wohl tüchtig zuzupacken, aber er schaute auch darauf, dass sie genügend Freizeit hatten.
1952 wurde wohl die Weiche für sein künftiges Leben endgültig gestellt. Er übernahm das Vaterhaus und die Wirtschaft zum Rössli. Mit Fleiss, Ausdauer und dem nötigen Selbstvertrauen ging er nun daran, sein Geschäft aufzubauen. Er vergrösserte in dieser Zeit seinen Wagenpark, was ihn schliesslich 1957 dazu zwang, eine geräumige Garage samt Wohnhaus zu bauen. Auch die Öffentlichkeit forderte von einem Mann wie Adolf ihren Tribut. Den Dienst am Vaterland leistete er während der Kriegszeit bei der Mot Fk 26. In der Gemeinde war er während zwölf Jahren Genossenrat. Dem Gemeinderat diente er acht Jahre, dem Oberallmeindverwaltungsrat gehörte er ebenfalls acht Jahre an. Sein Urteil wurde hochgeschätzt, sein Weitblick manchmal erst später verstanden. So war er auch Gründungspräsident der Transportgemeinschaft Muotathal im Jahre 1954.
Wer das Leben vom "Rössli Adolf" wiedergeben will, kommt wohl an seinem Hobby, dem Handorgelspielen, nicht vorbei. Wie oft hörte man etwa sagen: "Jetzt gammer nu is Rössli, det isch Muusig". Seine lüpfige Spielweise schaffte ihm Freunde weit über die Kantonsgrenzen hinaus. Wie vielen Menschen aus nah und fern er ein paar Stunden mit seiner Musik die Sorgen vergessen half, weiss wohl nur der Herr über Leben und Tod. Es machte ihm Freude, wenn ein Gast mit ihm spielen wollte, denn er hatte für jeden eine passende Handorgel im Stübli.

Von Schicksalsschlägen bleibt wohl kein Mensch verschont. 1948 starb seine Mutter, zwei Jahre später sein Vater. Er behielt ihnen Zeit seines Lebens ein ehrendes Gedenken. Ein schwerer Schlag war für ihn der (tödliche, Anm. LS) Unfall seines Sohnes August am 6. September 1977. Von diesem Schicksalsschlag hat er sich nie mehr richtig erholt. Von da an fing er an zu kränkeln. Anfangs nur Altersbeschwerden, dann immer mehr. Eine Operation brachte vorübergehend Besserung. Doch der Lebensnerv dieses starken und gesunden Mannes war getroffen. Langsam sah man, wie sein Lebenslicht immer kleiner wurde. Zuerst musste er das Handorgeln, dann das Autofahren aufgeben. So wurde sein Wirkungskreis immer kleiner und kleiner, bis er am Morgen des 28. Julis seine Seele dem Herrn zurückgab. Er starb gestärkt mit den Sakramenten unserer Kirche im Spital Schwyz. Wer soviel gearbeitet und geleistet hat wie Adolf, konnte nicht immer allen Leuten genehm sein. Doch wie manchem er zu Essen und Trinken gegeben hat, wie oft er im Stillen in der Not geholfen hat, weiss nur Gott allein. Ihm wird er Rechenschaft geben müssen.

Wir wollen dem Verstorbenen ein würdiges Andenken bewahren.



Herzlichen Dank an Alois1975, der mir diesen Nachruf freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Link zu Adolf Schelbert, Folge 1
Link zu einem Instrument aus der Sammlung von Adolf Schelbert.
Rees Gwerder hat Adolf Schelbert einen Tanz gewidmet. YouTube-Link